Liebe Leserinnen und Leser,
"Fragen, Fragen, immer nur Fragen. / Es kann der Käfer den Specht nicht ertragen. / Gib mir ein Rätsel auf; ich werde sagen: / ›Da mußt du jemand anders fragen‹." So lautet die erste Strophe des Liedchens, das Pu Bär an jenem Morgen singt, an dem I-Ah bezweifelt, dass es sich um einen guten Morgen handelt. Als der alte Schwerenöter I-Ah dann nämlich noch etwas von "Frohsinn. Gesang und Tanz. Ringel Ringel Rosen" und "Darf ich bitten, mein Fräulein" grummelt, hat der Bär von sehr geringem Verstand keine Ahnung, wovon der Esel spricht und stimmt sein Lied der Fragen an. Das perfekt passt, um dieses Heft der Fragen einzuleiten. Wieland Freund, Kritiker-Kollege und Autor (auf Seite 64 wird sein aktuelles Buch besprochen), hat Pu vor Jahren als Bären für das 20. Jahrhundert" bezeichnet, bringe er doch der krisengeschüttelten Moderne eine sympathisch offenherzige Desorientierung entgegen. Die erste Frage hier muss folglich lauten, ob I-Ah in seiner grundsätzlich negativen Haltung der Welt gegenüber als Esel für das 21. Jahrhundert gelten kann? Und die zweite: Wie klingt Pus Lied, das oben in der Übersetzung Harry Rowohlts (bei Dressler 1987) zitiert wird, im Original von Alexander Alan Milne? Sie werden nicht draufkommen, drum sei es hier gesungen: "Cottleston, Cottleston, Cottleston Pie. / A fly can’t bird, but a bird can fly. / Ask me a riddle and I reply: / ›Cottleston, Cottleston, Cottleston Pie‹". Umwerfend, ist es nicht?
Besser, man sitzt schon gut. Etwa auf einem Fauteuil Viennois von Thonet, wie ihn der Wiener Zeichner und Grafiker Tino Erben auf dem Cover platziert hat – samt einem der großen Wiener Infragesteller. Antje Damm lässt das Kind auf der 1002. dann gleich drei zentrale Fragen auf einen Sitz stellen. Schon auf den ersten paar Seiten sind wir ziemlich weit gekommen. Und auch der Rest sind Fragen, Fragen, …
"Werde ich meinen Platz finden?" lautet jene, die Ulrike Schrimpf in einem jener Bücher gefunden hat, die mehr Fragen stellen als sie Antworten liefern. Und daher – nicht nur – Kinder zum Philosophieren bringen. Die Platzfrage stammt im Übrigen von Britta Teckentrup, die dazu einen Stapel harter Stühle gestellt hat. Und Antje Damm ist in diesem Beitrag auch mit zwei Büchern vertreten.
Wie stellen sich Autor*innen das Jenseits vor, ganz konkret? Anna Winkler-Benders hat nachgesehen und -gelesen und unter anderem Stian Holes himmlisches Kaffeekränzchen gesichtet, bei dem alle Beteiligten auf schwebenden Stühlen sitzen (was nicht am Carlsberg liegen wird, das auf dem ebenfalls schwerelosen Tisch steht). Noch deutlich schräger allerdings ist Neil Smiths Himmel nur für amerikanische Pubertierende. Will man sich das vorstellen? Eher nicht.
Eine Menge Fragen zieht Vitali Konstantinovs Beitrag nach sich. Der Meister aller Schriften versammelt in seiner kurzen Bildgeschichte des Fragezeichens einige eigenartige Gestalten. Wer zum Beispiel ist König Ibrahim Njoya – und was bedeuten die ganzen Zahlen drumrum? … "Da musst du jemand anders fragen." Tamara Bach vielleicht? Ihren Text zum Fragezeichen hätte ich gern vorlaut nachgemacht. Das ging natürlich nicht. Fest steht aber, dass die Berliner Autorin Antworten schuldig bleibt. Eine Besprechung ihres klassen neuen Buchs ist auf Seite 58 nachzulesen.
Nicht nur Fragen, sondern auch Antworten müssen Sachbücher liefern. Jene Kolleginnen, die in 1001 Buch regelmäßig ebensolche besprechen, bringen diesmal vor, was ihnen dabei wichtig ist. Heike Elisabeth Jüngst weiß, was Pigmente oder andere Fachwörter im Bilderbuch zu suchen haben. Marlene Zöhrer zeigt, dass ein Sachbuch sehr klein sein kann oder sehr groß, jedenfalls aber der Sache, der es dient, angemessen sein muss. Manuela Kalbermatten bekennt, dass sie eher aus Sachbüchern lernt, die ihr nicht in erster Linie was erklären, sondern was erzählen wollen. Dass das beim Integral nicht geklappt hat, verschweigt sie nicht. Heike Byn listet 5 allerbeste Sachbücher auf. Und als Bonus setzt Renate Grubert, die nicht für uns rezensiert, aber mit Büchern sonst fast alles gemacht hat, der Gattung Sachbuch ein Sahnehäubchen oben drauf.
Peter Rinnerthalers Schlagobers ist das Porträt des gegenwärtig vielleicht exzeptionellsten Sachbuchmacherpaares Aleksandra und Daniel Mizielińscy. (Bin ich froh, dass ich hier schreiben kann und nicht aussprechen muss.) Die Bücher der polnischen Mizielińscy erscheinen in Deutsch im Moritz Verlag. Grund genug, den Verleger Markus Weber zu fragen, wie ein Sachbilderbuch daherkommen muss, das in seinem Verlag publiziert werden will.
Hans ten Doornkaat, auch Bilderbuchprogrammmacher und anderes dazu, hat scheinbar oft die falschen Fragen gestellt bekommen. Gut, habe ich gesagt, dann fragen Sie sich halt selbst, was Sie wollen. Hat gut funktioniert!
So, jetzt habe ich Ihnen viel erzählt, über die große Krise der Gegenwart habe ich nichts gesagt. Das wäre die andere vorlaute Variante gewesen, auch sie hätte mit einer Zeile aus einem Lied begonnen: "Wie heart des auf, wie wird des weida geh’n" hat Wolfgang Ambros schon 1983 gesungen. Ich habe mich für den Bären, den Käfer und den Specht entschieden. Ohnehin neige ich zu einem gewissen I-Ahismus, dem wollte ich mich diesmal entziehen. Wünsche Ihnen aber jedenfalls, dass Sie gesund und halbwegs fröhlich durch diesen schwierigen Winter kommen.
Franz Lettner
PS: Auf der Website www.1001buch.at ist – zum letzten Mal – eine Ausgabe von "1001 Buch digital plus" zu finden. Nach zwei Jahren beenden wir diesen Zusatzdienst, leider hat er kaum Interesse gefunden. Die wenigen Zugriffe rechtfertigen nicht den doch erheblichen Aufwand.
Aktuelle Neuerscheinungen
Folgende Titel werden in dieser Ausgabe von 1001 Buch besprochen:
Adbåge, L.: Die Bestimmer S. 54
Bach, T.: Sankt Irgendwas S. 58
Baltscheit, M. & A. Becker (Ill.): Selma tauscht Sachen S. 48
Bansch, H.: Drei Herren S. 45
Beecroft, S. u.a.: Lego Star Wars S. 39
Black, Y.: Zug der Fische S. 56
Blix. E.: Wild S. 65
Brönner, N.: Frosch will auch S. 56
Cottin, M. & R. Faría (Ill.): Das schwarze Buch der Farben S. 39
Dabos, CH.: Die Spiegelreisende S. 66
Downham, J.: Ich war der Lärm, ich war die Kälte S. 58
Druvert, H. & J. Druvert: Anatomie S. 39
Dürr, J.: Wo kommt unser Essen her? S. 41
Elsen, H.: Gender – Sprache – Stereotype S.72
nglebert, J.: Keine Angst, kleiner Prinz! S. 55
Flouw, B.: Fuchs auf Mission in der Tiefsee S. 46
Fombelle, T. de & Arsenault, I. (Ill.): Rosalie S. 54
Freund, W.: Dreimal schwarzer Kater S. 64
Gathen, K. von der & A. Kuhl (Ill.): Das Liebesleben der Tiere S. 39
Gordon, K.: Girl running, Boy falling S. 61
Habersack, Ch. & S. Göhlich (Ill.): Torkel S. 48
Hettche, T.: Herzfaden S.62
Hill, W.: After the Fire S. 62
Hoch, N.: Das Salzwasserjahr S. 61
Janisch, H. & M. Roher: Jaguar Zebra Nerz S. 44
Jugla, C. u.a.: Mein kleines Labor S. 40
Jüliger, L.: Unfollow S. 68
nödler, B. u.a.: Young Rebels S. 43
Knösel, S.: Panic Hotel S.60
Kramer, J. A. & C. Derby (Ill.): Der Junge und der Gorilla S. 55
Kuhlmann, T.: Einstein S. 46
Lapointe, S.: Fanny Cloutier S. 50
Leitl, L.: Held Hermann S. 57
Lupano, W. u.a.: Der Wolf im Slip S. 49
McManus, K.: One of us is next S. 66
Mehnert, V. & M. Haake: Die großen Flüsse der Welt S. 42
Mizielinska, A. & D. Mizielinski: Auf nach Yellowstone! S. 17
Mohl, N.: könig der kinder | tänze der untertanen. gedichte S. 69
Negrescolor, J.: So schnell wie der Wind S. 67
Nuovo, A. & D. Doran: Hier spielt die Musik S. 40
Ohlsson, L.: Fanny ist die Beste S. 48
Olejniková, D. (Ill.): Zählen, Rechnen, Messen S. 41
Pauli, L.: Der beste Notfall der Welt S. 49
Peters, H.: Mitternacht in Charlbury House S. 51
Poznanski. U.: Cryptos S. 65
Riet, A. van’t & J. Schutten: Nette Skelette S. 43
Rittershausen, Ch.: Mari – S. 50
Sanei, A.: Als Papa verloren ging S. 47
attouf. R.: Esthers Tagebücher 4 S. 52
Schäfer, M. & M. Töpperwien (Ill.): Mein Geld, dein Geld S. 42
Schneider, R. & L. Wolfsgruber (Ill.): Der Schneeflockensammler S. 68
Smith, S.: Unsichtbar in der großen Stadt S. 45
Snyder, L.: Insel der Waisen S. 51
Stemmann, A.: Räume der Adoleszenz S. 71
Steinkellner, E. & A. Gusela (Ill.): Papierklavier S. 59
Takei, G.: They called us enemy S. 63
Timberlake, A.: Dachs und Stinktier S. 47
Timmers, L.: Das rasante Buch S. 46
Timmers: Wo steckt der Drache S. 46
Tuckermann, A. & T. Schulz (Ill.): Alle da! S. 39
Watanabe,. I.: Flucht S. 67
Wolf, C. & A. Plichota: Homer Pym S. 64
Zimmermann, L.: Meine Augen sind hier oben S. 60
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