Inhalt
1002. Seite
Von Joke van Leeuwen
Von Franz Lettner
Peter Rinnerthaler über bildästhetische Erzählstrategien im zeitgenössischen Bilderbuch
Der Tod als Erzähler
Von Heidi Lexe
Jenseits von hier und jetzt
Ansätze zu einer genealogischen Poetik von Ernst Seibert
Was sehen wir?
Die niederländische Autorin, Illustratorin und Kabarettistin Joke van Leeuwen im Gespräch mit Silke Rabus
Bring einem Frosch das Miauen bei
Von Tamara Bach
Narrativ, das
Erklärt von Ute Dettmar
Mirakulöses Miteinander
Ein Dialog zu medienübergreifenden Erzählverfahren zwischen Heidi Lexe und Anna Stemmann
Der Presslufthammer
Michael Schmitt über eine Wegmarke
Das ist ein Buch
Silke Rabus über Metafiktion im Bilderbuch
Unwahrscheinliche Wahrhaftigkeiten oder wahrscheinliche Unwahrheiten?
Daniela A. Frickel über unzuverlässiges Erzählen in Werken der Kinder- und Jugendliteratur
Verhext!
Ute Wegmann über eine Wegmarke
"Schöne Geschichte", sagte ich
Christina Ulm über fiktive Erzählsituationen
Future Fiction, die
Erklärt von Manuela Kalbermatten
Future Fiction in uralter Erzählmanier
Elisabeth Eggenberger über eine Wegmarke
& Besprechungen aktueller Neuerscheinungen
Liebe Leserinnen und Leser,
dies ist die 74. Ausgabe von 1000 und 1 Buch in der vorliegenden Form. Seit fast 20 Jahren publizieren wir mit dem Anspruch, die Auseinandersetzung mit der Kinder- und Jugendliteratur kritisch und lustvoll zu führen, ohne Scheu vor emotionalen Lektüreereignissen noch vor theoretischen Reflexionen. Auch die Zusammensetzung der Redaktion hat sich in der Zeit kaum verändert: Klaus Nowak, der das Magazin in dieser Form wesentlich mitkonzipiert hat, auch Franz Derdak, Heidi Lexe, Silke Rabus und Elisabeth Wildberger sind seit 1999 dabei. Dazugekommen und geblieben sind im Lauf der Jahre Simone Kremsberger, Peter Rinnerthaler und Christina Ulm. Und Isabella Stelzhammer, die die Organisation der Besprechungen und die Korrektur besorgt. Dass unser hoher Anspruch auch optisch wahrnehmbar ist, dafür hat von Anfang an Nele Steinborn gesorgt. Vielleicht ist an der Gestaltung des Heftes am unmittelbarsten abzulesen, wie eine grundsätzliche Kontinuität bei ständiger Bewegung zentral ist für dieses Magazin. Daran ändert auch nichts, dass wir das schwungvolle Logo, das seit 1999 über dem Heft stand, gegen ein neues getauscht haben. Nele Steinborn hat es konzipiert: klar, kompakt, mit gutem Stand, selbstbewusst und offen in viele Richtungen. Auch im Inneren des Heftes gibt es kleine Anpassungen, in der Type etwa. Und darüber hinaus haben wir die virtuelle Präsenz erneuert. Das war nötig, weil in den nächsten Jahren zum gedruckten Heft weitere Serviceleistungen im Internet kommen werden. Der erste Schritt ist getan: Als AbonnentIn können Sie diese Ausgabe von 1000 und 1 Buch auch online auf dem Bildschirm lesen. Das ist praktisch, wenn man schnell etwas nachschlagen will, etwa ob bestimmte AutorInnen oder Buchtitel im Heft vorkommen. Oder im Besprechungsteil direkt nach den Altersangaben suchen mag. Wir hoffen, dass die Veränderungen gut ankommen.
So weit zu den Vorgängen im Inneren, jetzt zur vorliegenden Ausgabe. Nachdem zuletzt eher inhaltliche und motivische Fragestellungen im Vordergrund gestanden sind, liegt der Fokus diesmal auf der Erzähltheorie. Das tönt vielleicht nach anstrengender Lektüre, aber das Schreiben über erzähltheoretische Aspekte ist – Erzählen. Auch da kommt es wie bei jedem Erzählen auf die Form wie auf den Inhalt an. Und ja: ein kluger Theoriediskurs kann unterhaltsam sein.
Was bieten wir Ihnen also? Einen schönen Essay von Ernst Seibert über den Zusammenhang zwischen Erzählen und Erinnern und wie erinnerte Kindheit in eine Erzählung für Kinder, aber auch für Erwachsene kommen kann. Eine ganz andere Geschichte ist die von Heidi Lexe über den Tod als Erzähler, der nicht immer als schauriger Knochenmann auftritt. Und darüber hinaus meist deutlich vertrauenswürdiger ist als jene unzuverlässigen ErzählerInnen, die ihren LeserInnen die Hucke voll erzählen. Daniela A. Frickel ist ihnen entweder sehr gern oder gar nicht auf den Leim gegangen.
Dass sogar der Textform »Lexikoneintrag« viel abzugewinnen ist, zeigen Ute Dettmar und Manuela Kalbermatten. Danach wissen wir deutlich mehr über das Narrativ und die Future Fiction – was nicht nur bei einem literarischen Small Talk von Vorteil ist.
Wann ist das Bilderbuch politisch geworden, wann der Roman lyrisch und die Dystopie frühmittelalterlich? Elisabeth Eggenberger, Michael Schmitt und Ute Wegmann identifizieren kinder- und jugendliterarische Wegmarken. Das tun auch Heidi Lexe und Anna Stemman, die in einem fröhlich geführten Mailwechsel über Erzählverfahren diskutieren, die sich mehrerer Medien bedienen. Die also – auf sehr unterschiedliche Weise – mit Text und Bild erzählen (und kein Bilderbuch sind). Das ist im Übrigen ein Beitrag, dessen Form sehr angemessen mit dem Inhalt korreliert.
Zum Bilderbuch: Dass es sinnvoll ist, dessen Erzählstrategien mit Fachbegriffen aus der Fotografie- und Filmwissenschaften zu Leibe zu rücken, beweist Peter Rinnerthaler im Establishing Shot dieser Ausgabe. Und dass es unterhaltsam sein kann, wenn Bilderbücher das Erzählen selbst zum Thema machen, zeigt Silke Rabus in ihrer analytischen Annäherung an die Metafiktion. Ein Begriff, mit dem auch Joke van Leeuwen auf Du und Du ist, wie sich in ihren Büchern und im Gespräch mit Silke Rabus zeigt. Von der niederländischen Künstlerin, die ihre Geschichten immer sowohl in Text als auch in Bildern sehr reflektiert erzählt, stammt auch die 1002. Seite.
Mitten im Heft steht – seltsam und wunderbar – ein Text der deutschen Autorin Tamara Bach. Darin gibt es einen – jedenfalls zuverlässigen – Erzähler, ein bisschen Wahrscheinlichkeitsrechung und viel Sehnsucht. Diese Erzählung muss sich viel weniger beschränken als alle anderen im Heft, die auch erzählen wollen, aber zudem erklären sollen. Nehmen Sie Tamara Bachs Erzählung als eine Atempause, eine Ablenkung, eine Ausflucht …
Ich hoffe, dass Sie nach der Lektüre dieser Ausgabe von 1001 Buch sagen: »Schöne Geschichte«. So wie – in Christina Ulms Beitrag über fiktive Erzählsituationen – ein Mädchen zu seinem Vater, als der mit seiner Geschichte zu einem Ende gekommen war. Wir würden darauf – wie der Vater – »Danke!« sagen.
Franz Lettner
Ein Selfie mit Garman?!
Peter Rinnerthaler über bildästhetische Erzählstrategien im zeitgenössischen Bilderbuch
Die Erzählung beginnt am Vorsatzpapier. Es ist der erste »shot« des Bilderbuches. Auch wenn nur ein samtiges Rot zu sehen ist, hat dies Bedeutung für die zweite Einstellung, in der am Schmutztitel ein von rechts ausgeleuchtetes Mädchen zu sehen ist. Das Titelblatt ist die dritte Einstellung: Totale auf einen Stadtpark, elf lose angeordnete Figuren stehen im Fokusbereich, das Mädchen fast im »Goldenen Schnitt«, der Hintergrund mit Bäumen und Skyline ist unscharf gezeichnet. In der vierten Einstellung kommt es zum Rechtsschwenk auf eine Theaterfassade: zentral das Mädchen sowie elf weitere Figuren in halbnaher Einstellungsgröße, die Normalsicht-Perspektive auf Augenhöhe wird beibehalten. Das ist das Ende der Establishing-Sequenz. Fünfte: Innenraumdarstellung der Künstler_innengarderobe, weiterhin halbnah, jedoch Wechsel zu Aufsicht, künstlichem Licht und angeschnittenem Bildbereich. Sechste: Blick in den sich füllenden Zuschauer_innenraum, Einstellungsgröße und Perspektive bleiben unverändert. Letzte Einstellung: Gegenschuss-Montage auf Bühnenbild bei Normalsicht-Perspektive. »Der arme Peter« betritt von rechts das Bild und der ROTE Vorhang öffnet sich in diesem Bilderbuch zum zweiten Mal.
Das ist Peter Schössow, das ist Bilderbuch (Hanser 2013), das sind Fachbegriffe der Fotografie- sowie Filmwissenschaften und das kann auch Erzähltheorie sein.
…
Den gesamten Artikel lesen Sie im 1001 Buch 1|17.
Als AbonnentIn auch online direkt hier auf dieser Website